Die farbigen Linien, die ihr auf dem Bild seht, zeigen Kurven einer charakteristischen Form, die nach dem deutschen Mathematiker Gauß, der ihre Gleichung aufstellte (die wir uns angesichts ihrer Kompliziertheit ersparen können), gaußsche Kurven genannt werden. Wie ihr sehen könnt, handelt es sich um eine Kurve in Form einer Glocke, die flacher oder steiler sein kann. Das Maximum, der Höchstwert, muss nicht in der Mitte liegen, sondern kann in Richtung des Anfangs oder des Endes der Kurve verschoben sein: Man spricht in diesem Fall von einer asymmetrischen gaußschen Kurve.
Unser Interesse für gaußsche Kurven ergibt sich aus der Tatsache, dass diese Kurven mehrere Naturphänomene beschreiben können.
Wenn wir uns zum Beispiel auf der Horizontalen, auf der die Kurven fußen, die Waggons eines U-Bahn-Zugs zur Zeit des Normalverkehrs vorstellen, dann sehen wir, dass die Leute dazu neigen, die Waggons gemäß einer charakteristischen Verteilung zu belegen, die den Namen Gauß-Verteilung [oder Normalverteilung; Anm. d. Übers.] trägt: Das bedeutet, sie füllen die mittleren Waggons mehr und lassen die vorderen und hinteren eher leer. Natürlich gibt es Bedingungen, die es begünstigen, dass diese Situation eintritt und andere, die es behindern können, wie zum Beispiel die Anordnung der Eingänge und der Ausgänge der Station, die Anzahl der angehängten Waggons oder die Anzahl der Passagiere. Doch die Statistik gibt uns ausreichend Rückhalt für unsere Diskussion: Wenn die Leute die freie Wahl haben, verteilen sie sich nie gleichmäßig über alle Waggons.
Um zu Themen zu kommen, die für diese Seite einschlägiger sind: Auch die Intensität eines Windstoßes, die körperliche Kraft eines Individuums von der Geburt bis zum Tod, die Stärke des Sonnenlichts während des Tages… haben Verläufe dieses Typs. Eine gaußsche Kurve beschreibt also etwas, das gedämpft beginnt, graduell ansteigt, einen Maximalwert erreicht und dann wieder abnimmt, um später zu verebben.
Fakt ist, dass wir also in der Natur kein Phänomen finden, dass auf einen Schlag auftritt oder verschwindet, mit einem vertikalen Anstieg oder Abfall (in der Mathematik sagt man dafür stufenförmig): Beginn und Ende eines Phänomens können extrem schnell verlaufen (gestreckte gaußsche Kurve), doch eine vollkommen vertikale Front eines Anstiegs oder eines Abfalls können in der Natur nicht vorkommen.
Ein Ingenieur würde es vielleicht so erklären, dass kein Phänomen in der Natur eine unendliche Potenz äußern kann; ein Physiker würde möglicherweise bestätigen, dass es in der Natur keinen idealen Impuls [auch: Dirac-Impuls; Anm. d. Übers.] gibt; ein Philosoph würde sich wahrscheinlich auf die zyklische Beschaffenheit der Wirklichkeit berufen… Wie dem auch sei, was uns für unser Wohlergehen interessiert ist, dass jegliche Sache, die wir tun, einen gaußschen Verlauf hat: Es spielt keine Rolle, wie schnell der Anstieg verlaufe oder wie hoch das Maximum liege.
Halten wir fest: Während wir eine körperliche Aktivität verfolgen (Jogging, Tennis, Bodybuilding, Holzhacken…), bemerken wir, dass unsere Kraft nach einer anfänglichen Müdigkeit in den ersten Minuten zuzunehmen beginnt (immer gesetzt den Fall, dass geeignete Bedingungen gegeben seien), doch dass sich früher oder später die Ermüdung spürbar macht und die Leistung unvermeidlich nachlässt.
Auch unsere sportliche Leistungsfähigkeit weist also eine gaußsche Tendenz auf.
Über diese Dynamiken nachzudenken, kann uns äußerst nützliche Hinweise geben, um die Effizienz unserer Handlungen (und unseren Spaß daran) zu steigern, unser Training zu verbessern und Verletzungen zu vermeiden. Im nächsten Post machen wir weiter.
Bleibt… gaußsch ;)[1]
[1] wört.: state… in campana! Unübersetzbares Wortspiel mit Bezug auf die Glockenform (campana) einer Gauß-Funktion und die Redewendung stare in campana: auf der Hut sein; Anm. d. Übers.
ins Deutsche übersetzt von Elisabeth Becker Bild mit freundlicher Genehmigung von Wikimedia.org