Wir haben, in einer sehr einfachen und kurzen Darstellung, die verschiedenen Energiequellen betrachtet, derer sich unser Körper für seine Aktivitäten bedient. Es lohnt sich, darauf hinzuweisen, dass die Mechanismen der Energiegewinnung, auf die wir uns in den vorhergehenden Posts bezogen haben (von hier ab), für jeglichen Zelltyp gelten; an dieser Stelle allerdings werden wir bei der Tätigkeit der Muskelzellen und bei den Energiequellen für die körperliche Betätigung stehen bleiben. Ich empfehle dem, der auf diesem Post gestrandet ist und dessen Interesse für das Thema wach wurde, einen Blick auf wenigstens die beiden vorangehenden Posts zu werfen :) Zuerst einmal gehen wir davon aus, der Mechanismus des GP funktioniere immer und unter jeder Bedingung: Das ATP liegt also der Muskelkontraktion zugrunde, welcher Art auch immer die Arbeit sei, die ausgeführt wird: Das, was sich je nach Tätigkeit ändert, ist die Art und Weise, wie das ATP-CP wieder aufgeladen wird.
Wenn ihr seit einer Weile ruhig dasitzt, um diesen Post zu lesen, kommt die Energie, die nötig ist, um das ATP der Muskeln, die ihr benutzt, wieder aufzuladen, eigentlich nur aus dem aeroben Mechanismus, also aus der Oxidation von Glukose und Fetten: Das Blut gewinnt aus unserer Atemluft Sauerstoff, bringt es zum Muskel und gibt es an die Muskelzelle ab; aus dem Abbau von Glukose (und Fetten) wird unter Mitwirkung des Sauerstoffs Energie erzeugt. Dieser Vorgang wird daher auch als Oxidation bezeichnet. Wie ihr euch vorstellen könnt, hat der aerobe Mechanismus eine potentiell unbegrenzte Kapazität: Er ist also in der Lage, Energie zu erzeugen, ohne jemals inne zu halten, solange wir atmen und solange Zucker und Fette im Organismus vorhanden sind. Das Problem liegt dafür bei seiner Leistung, also bei der Menge an Energie, die er pro Sekunde zu produzieren vermag. Wie der Benzinverbrauch eines Autos davon abhängt, wie schnell wir fahren, erfordert auch eine schwerere Muskelarbeit mehr Energie pro Zeiteinheit. Die chemischen Reaktionen sind normalerweise etwas ziemlich Genaues: n Moleküle einer Art interagieren mit m Molekülen einer anderen Art, nehmen dabei eine bestimmte Energiemenge in Anspruch (oder setzen sie frei) und erzeugen x Moleküle dieser Art und y Moleküle jener Art. Die Oxidation einer bestimmten Menge Glukosemoleküle erfordert eine genaue Menge an Sauerstoff: Wenn nicht so viel Sauerstoff zur Verfügung steht, wie gebraucht wird, kann nicht die ganze Glukose oxidiert werden. Auf der anderen Seite verbraucht eine starke Muskelkontraktion eine ganze Menge ATP pro Sekunde und somit wird eine ganze Menge an Energie (also Leistung) benötigt, um es wieder aufzuladen: der Muskel kümmert sich wenig darum, ob oder ob nicht genügend Sauerstoff da ist. Könnt ihr euch vorstellen, wie es wäre, wenn wir immer mal wieder mitten in der Bewegung anhalten würden wie fehlerhafte Roboter, um zu warten, bis die benötigte Menge Sauerstoff in den Muskeln angekommen ist? xD An dieser Stelle kommt also der Mechanismus der Milchsäure ins Spiel (auch anaerob glykolytisch genannt, der also die Glukose ohne Sauerstoff abbaut), der dafür zuständig ist, denjenigen Anteil der Leistung (also der Energie pro Sekunde) zu produzieren, den sich die Zelle mit den Oxidationen nicht mehr zu beschaffen vermag. Die Energie, die von den Oxidationen pro Zeiteinheit produziert wird, ist die aerobe Potenz, die Energie, die mithilfe der Milchsäure pro Zeiteinheit produziert wird ist die (per definitionem anaerobe) laktazide Potenz; der Vollständigkeit halber können wir auch die Potenz definieren, die vom GP pro Zeiteinheit produziert wird (anaerobe alaktazide Potenz). Man kann auch von anaerober Potenzim Ganzen sprechen, um die Energie zu bezeichnen, die pro Zeiteinheit auf nicht-aerobem Wege produziert wird. Diese kurze Beschreibung dient dazu, vor allem eins klar zu machen: Dass der Muskel sich kaum einmal in der Situation befindet, dass entweder aller benötigte Sauerstoff oder dass überhaupt keiner vorhanden ist: Normalerweise kommt in der Zelle immer Sauerstoff an, doch oft ist es nicht ausreichend, um die Leistung zu erbringen, die von der Muskelkontraktion erfordert wird. In anderen Worten: Die Muskelaktivitäten einer bestimmten Intensität und Dauer sind immer gemischter Natur, aerob und anaerob zugleich. An dieser Stelle trennen uns nur noch wenige Schritte von einem kompletten, wenn auch einfachen Verständnis der energetischen Mechanismen. Es bleibt zum Beispiel noch zu klären, in welchem Zeitverlauf die GP-Vorräte wieder aufgefüllt werden und was mit der Milchsäure geschieht. Damit werden wir uns das nächste Mal beschäftigen.
ins Deutsche übersetzt von Elisabeth Becker Bild: Valerio Checchi - mit freundlicher Genehmigung von nordicwalkingtime.it