Den letzten Post schloss ich damit, dass ein wichtiger Aspekt des Aufwärmens im Falle einer Aktivität unter hoher aerober Anstrengung (die ich hier als Aktivität unter vollem aeroben Einsatz definiere) darin besteht, die aerobe Potenz zu steigern, in der Form, dass der größtmögliche Teil der im Laufe der Aktion zum Ausdruck gebrachten Potenz an Oxidationsmechanismen delegiert wird. Wir wollen dieses ziemlich wichtige Thema vertiefen.
Wie wir wissen (zum Beispiel seit hier), benutzt der Muskel Sauerstoff, um das Phosphagen, das für die Kontraktion verwendet wurde, wieder aufzuladen, indem Zucker und Fette (besser wäre es, von Glukose und Fettsäuren zu sprechen) vollständig zu Wasser und Kohlenstoffdioxid oxidiert und zersetzt werden. Man spricht daher vom oxidativen oder aeroben Mechanismus.
Die Potenz (also die Energie, die pro Zeiteinheit produziert wird) des aeroben Mechanismus hängt von vielen Faktoren ab, darunter die Menge an Sauerstoff, der in der Muskelfaser zur Verfügung steht. Wenn die Potenz, die vom Muskel gefordert wird (also die Geschwindigkeit, mit der das Phosphagen verbraucht wird) über der aeroben Potenz liegt, wird der übrige Teil der Potenz durch die Produktion von Milchsäure erhalten. In einfachen Worten: Je höher die Intensität der körperlichen Anstrengung, desto mehr Milchsäure wird produziert.
Nun ist es so, dass die aerobe Potenz keine Konstante ist, die mit unserer sportlichen Kondition zusammenhängt, sondern anwächst, sowie die Anstrengung ansteigt, die wir in einem Moment ausüben: Wenn wir im Sessel sitzen, bringen wir wenig Leistung mithilfe der Oxidationsvorgänge hervor, wenn wir im Park laufen gehen bringen wir eine ganze Menge davon hervor.
Für die Aktivitäten unter vollem aeroben Einsatz (die per definitionem länger gehen, also zumindest einige Minuten dauern) können wir sogar sagen, dass wir, je stärker wir uns anstrengen, desto mehr aerobe Potenz produzieren; es ist geradezu so, dass man die maximale aerobe Potenz eben genau dann erreicht, wenn wir eine ganze Menge Milchsäure produzieren: Offensichtlich strengt der Körper sich gründlich an, um den Milchsäurespiegel einzuschränken.
Ein angewandtes Beispiel: Nehmen wir an, dass ich in einem Rhythmus von fünf Minuten pro Kilometer laufen (das entspricht einer Geschwindigkeit von 12 km/h) und dabei im Sauerstoffgleichgewicht bleiben kann, also ohne dabei Milchsäure zu produzieren, und dass das meine schnellste rein aerobe Gangart ist (das heißt, wenn ich schneller laufe, beginne ich, Milchsäure zu produzieren). Wenn das stimmt, dann stimmt aber auch, dass, wenn ich aus dem vielzitierten Sessel aufstehe und sofort mit fünf Minuten pro Kilometer loslaufe, mit Sicherheit Milchsäure produzieren werde: weil meine aeroben Mechanismen nicht stimuliert worden sind und meine aerobe Potenz niedrig ist; sie steigt aber nach und nach an, während ich laufe, stimuliert von der Abnahme des Phosphagens in den Muskeln und der Anwesenheit von Milchsäure. Solange die aerobe Potenz noch nicht voll angelaufen ist, wird die fehlende Potenz von der Milchsäure geliefert.
Demnach ist das, was passiert, dass für jede Minute des Laufens eine bestimmte Menge an Milchsäure sich zu bilden beginnt, doch diese Menge wird im Laufe der Zeit immer kleiner, weil der Oxidationsmechanismus sich inzwischen – und langsam – bis zu seiner Höchstform aktiviert. Wenn ich die Geschwindigkeit konstant halte, werde ich an einem Punkt ankommen, an dem der Milchsäurespiegel nicht weiter ansteigt, sondern sich sogar zuerst einpendelt und dann abzunehmen beginnt, nach und nach, wie die oxidative Potenz ansteigt. Die Milchsäure war folglich nur ein Produkt des anfänglichen Übergangs.
Wie kann man diese Dynamiken strategisch nutzen?
Wenn man als selbstverständlich voraussetzt, dass ich in einem Wettkampf nicht mit fünf Minuten pro Kilometer laufen werde, sondern sehr viel schneller, und daher notwendigerweise auch Milchsäure produzieren werde, ist es klar, dass ich daran interessiert bin, so wenig wie möglich davon zu produzieren oder den Augenblick zu verzögern, in dem ich anhalten muss, weil ich den Grenzwert meines Milchsäurespiegels erreicht habe.
Es ist also nötig, den Wettkampf zu beginnen, wenn man die Oxidationsvorgänge in einen hohen Leistungsbereich gebracht hat, um die Übergangsphase der Milchsäure zu vermeiden oder, generell, den gesamten Milchsäurespiegel, der sich während des Wettkampfes ergibt, zu minimieren.
Hier haben wir den Grund dafür, warum der Sportler für die Aktivitäten mit vollem Einsatz beim spezifischen Aufwärmen den technischen Gestus zuerst mit niedriger Intensität ausführt, sich dann langsam steigert und dabei Arbeit und Pausen in der Art und Weise dosiert, dass die Oxidationsmechanismen maximal stimuliert werden und die kleinstmögliche Menge an Milchsäure produziert wird. Zum Beispiel beginnt ein Langstreckenläufer nach dem allgemeinen Aufwärmen damit, für einige Minuten langsam zu laufen, bis er spürt, dass er – wie man sagt – den Atem gebrochen[1] hat. Für gewöhnlich dauert diese Phase zwischen fünfzehn und zwanzig Minuten. Nach einer kurzen Pause und einigen Dehn- und technischen Übungen wird er dann damit beginnen, mehr oder weniger lange Strecken (je nach Spezialisierung zwischen einigen dutzend bis einigen hundert Metern), in Abwechslung mit Erholungspausen, zu laufen, und wird dabei mit immer größerer Geschwindigkeit laufen, bis er die Wettkampfgeschwindigkeit erreicht (aber nicht überschreitet). Die Wahl der Rhythmen, der Pausen und der Menge erfolgt nach Gefühl und Erfahrung des Sportlers.
Probiert auch ihr es aus. Das Wahrnehmungsvermögen für den eigenen aeroben Schwellenwert ist ein Feingefühl, das jeder Sportler – auf jedem Niveau, auch als Amateur – gut entwickeln muss.
Natürlich gilt dasselbe für azyklische Aktivitäten wie Combat Sport oder die Spiele: Jeder Sportler wird den technischen Gestus wählen, der dazu geeignet ist, den größtmöglichen Teil der verschiedenen Muskelpartien auf einmal anzusprechen.
[1] [ital. rompere il fiato: italienischer Fachausdruck dafür, dass der Atem seinen Rhythmus gefunden hat, also leichter geht; Anm. d. Übers.]
ins Deutsche übersetzt von Elisabeth Becker Bild: Il doppio pesi leggeri italiano mit Bertini und Gilardoni in Bewegung. mit freundlicher Genehmigung von olimpiadi.blogosfere.it