Ernährungsstrategien entwerfen

Zum Thema Gesundheit im Allgemeinen und zur Ernährung im Besonderen teilen wir heutzutage eine Kultur, die wir im Laufe der Jahre – ich sollte sagen, der Jahrhunderte – aufgebaut haben. Es ist, als ob die Summe aller Dinge, die nicht gesagt, nicht gewusst und falsch interpretiert worden sind, sich selbst zu einem Wissen geformt und beinahe eine eigene wissenschaftliche Kohärenz und Würde erhalten hätte. Aufgrund dessen haben wir eine ganze Reihe von mehr oder weniger abgeänderter, verzerrter Vorstellungen und Kenntnisse zu Themen entwickelt, die von Nahem betrachten, wie wir gemacht sind, wie es uns geht und was wir tun können, damit es uns besser geht. Zum Beispiel bekommt man beim Lesen der Texte über Ernährung, oder auch nur der Gesundheitsmagazine, den Eindruck, Essen sei ein Prozess dieses Typs:

  1. jedes Nahrungsmittel ist aus einer bestimmten (geringen) Anzahl an verschiedenen Molekülen zusammengesetzt, die ich hier einfache Elemente nennen werde (zum Beispiel Saccharose, Vitamin C, Kalzium…);
  2. die Ernährungsbedürfnisse des Menschen können in den Begriffen der einfachen Elemente ausgedrückt werden: Was für das Leben zählt, ist, diese Bedürfnisse im Sinne der Varietät und der Menge zu befriedigen und eine angemessene Kalorienzufuhr zu erreichen;
  3. es gibt keinen Unterschied zwischen einem einfachen Element in einem Nahrungsmittel und dem selben Element in einem anderen Nahrungsmittel: in anderen Worten, die Quellen der einfachen Elemente sind austauschbar;
  4. es gibt keinen unterschied zwischen einem einfachen Element, das in einem Gericht vorkommt, und dem gleichen Molekül, das im Labor hergestellt wurde;
  5. in derselben Weise gibt es keinen Unterschied zwischen dem Gewebe eines Hähnchenschenkels (von welchem Hähnchen?) und dem selben Gewebe, das durch Zellvermehrung in einer Zellkultur hergestellt worden ist;
  6. wenn wir ihn essen, wird der feste Klotz, der das Nahrungsmittel bildete, durch die verschiedenen Stadien des Verdauungsprozesses vollständig aufgespalten, bis er sich auf eine Menge von einfachen Elementen reduziert;
  7. die Speisen, die man bei einem Essen zu sich genommen hat, bleiben alle zusammen im Magen, bis der Zustand eintritt, der im vorigen Punkt beschrieben wurde; nach diesem öffnet sich der Zwölffingerdarm (die Röhre, die Magen und Darm trennt) und das verdaute Essen gelangt zur Nährstoffaufnahme in den Darm;
  8. die einfachen Elemente, die im eingenommenen Essen sind, werden unmittelbar von den Zellen unseres Körpers für ihre energetischen, plastischen und funktionalen Bedürfnisse genutzt;
  9. ein Essen, das aus einer bestimmten Anzahl einfacher Elemente besteht, ist vollkommen ersetzbar durch eine Menge an Essen, deren Summe der einfachen Elemente dem erstgenannten Essen entspricht.

Diese Liste entspricht im Wesentlichen den Gemeinplätzen der Allgemeinkultur bezüglich des Essens und der Ernährung. Wir müssen feststellen, nicht ohne eine gewisse Besorgnis, dass jeder dieser Punkte mindestens eine Ungenauigkeit oder einen logischen Fehler enthält und grundlegend einem falschenModell entspricht. Die biochemische Realität eines Lebewesens ist sehr, sehr anders als diese und selbiges gilt auch dafür, wie wir mit den Speisen umgehen, die wir täglich essen. Um das Fundament für Ernährungsstrategien zu legen, die für uns alle wirklich nützlich sind, ist es nötig, diese perspektivischen Verzerrungen zu berichtigen und zu einem Modell zu gelangen, das uns wirklich erlaubt, nicht allein zu verstehen wie unsere Ernährung funktioniert, sondern auch, welche die besten Entscheidungen zum Erreichen unserer Ziele sind: zum Beispiel die Verbesserung einer geistigen oder körperlichen Leistung oder auch nur ein guter Gesundheitszustand und die Fähigkeit, in gut entwickelter Weise auf Impulse aus der Umwelt zu reagieren. Wir werden also versuchen, eine Auffassung des Essens und der Ernährung zu skizzieren, die uns in die Lage versetzt, begründete Entscheidungen zu treffen. Guten Appetit!

ins Deutsche übersetzt von Elisabeth Becker
Bild mit freundlicher Genehmigung von riza.it
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