Lernen wir den Bauch kennen

Ich glaube, dass es eine wichtige Voraussetzung ist, die Form und die Arbeitsweise der Muskeln, die man trainieren oder verbessern will, in etwa zu kennen, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Es ist dabei wirklich nicht wichtig, medizinische oder hochwissenschaftliche Kompetenzen zu entwickeln: wichtiger ist es, meines Erachtens, Zweideutigkeiten und Zweifel auszuräumen und vernünftige Antworten auf die strategischsten Fragen geben zu können. Die Bauchmuskeln, im Besonderen, befinden sich in einem Bereich, der vom motorischen und funktionalen Gesichtspunkt her recht komplex ist; und auch die Art und Weise, wie sie miteinander verflochten sind, sich gegenseitig unterstützen und einander verstärken, ist interessant. Wir wollen uns also eine genaueres Bild von der Situation machen.

Man kann den Begriff Bauchmuskel auf zwei Arten gebrauchen: Man kann sich damit auf die Gesamtheit der Muskeln beziehen, die die frontalen und lateralen Bauchwände eingrenzen, oder auf einen bestimmten davon: den geraden Bauchmuskel (das ist der, der, wenn er nicht unter Fett versteckt liegt, bei einem Mann für den klassischen Waschbrettbauch sorgt. Doch auch bei einer Frau kann es sein, dass man diese Struktur sieht, und das kommt sogar bei vielen – Männern wie Frauen – ziemlich gut an). Der gerade Bauchmuskel ist im ersten Abschnitt des nebenstehenden Bildes zu sehen, das man im Original auf Roberto Eusebios Blog finden kann. Die anderen Bauchmuskeln sind, von links nach rechts, der rechte und linke äußere schräge Bauchmuskel (oder Obliquus externus; sie sind die am weitesten ausgedehnten Muskeln in diesem Körperbereich, sichtbar im zweiten Abschnitt), der rechte und linke innere schräge Bauchmuskel (oder Obliquus internus; die sich auf einer darunterliegenden Schicht befinden und in Abschnitt drei abgebildet sind) und der querverlaufende Bauchmuskel (der Muskel der tiefsten Schicht, in Abschnitt vier), der eigentlich auch aus zwei Hälften besteht, die sich längs der vertikalen Linie im Zentrum des Bauches treffen, die Linea alba. Zwei Anmerkungen: In der Abbildung wird immer nur die Hälfte eines jeden Muskels gezeigt, die der rechten Körperseite entspricht. Die andere Hälfte müsst ihr euch selbst dazudenken… Desweiteren zeigen die dünnen schwarzen Striche die Ausrichtung der Fasern eines jeden Muskels an, das heißt letzten Endes die Richtung, in die sie einen Zug erzeugen können, indem sie sich kontrahieren. Im Netz werdet ihr tausende Seiten finden, die erschöpfend Ursprung, Ansatz, Verlauf, Aktion und Innervation jedes einzelnen dieser Muskeln beschreiben. Was uns an dieser Stelle interessiert, ist die Bemerkung, dass sie insgesamt nach oben und auf der Seite mit den Rippen verbunden sind und nach unten mit dem Becken. Wenn die schrägen und die gerade Bauchmuskel gemeinsam kontrahieren, verursachen sie also die Absenkung (Depression) der Rippen (wie zum Beispiel bei forciertem Ausatmen) und die Beugung des Rumpfes zum Becken hin. Wenn der Rumpf fest bleibt, kippen sie das Becken nach hinten (die Bewegung, die den unteren Teil des Rückens gerade richtet, wenn er vorher im Hohlkreuz war). Wenn ihr Probleme habt, euch diese Bewegung vorzustellen, legt euch auf den Rücken, winkelt die Beine an und stellt die Füße nahe des Beckens auf den Boden. Nun krümmt den unteren Rücken, so dass es möglich ist, eine Hand zwischen dem Rücken und dem Boden durchzuschieben: das ist die Anteversion des Beckens (oder Lordosierung): um diese Bewegung auszuführen, mussten wir die geraden und schrägen Bauchmuskeln sich verlängern lassen. Am Ende rollt das Becken in die entgegengesetzte Richtung, sodass der Rücken die Hand auf den Boden drückt: das ist die Retroversion des Beckens (oder Delordosierung), das im Zusammenspiel mit anderen Muskeln die geraden und die schrägen Bauchmuskeln einbezieht. Was die geraden Bauchmuskeln in ihrer alleingestellten Tätigkeit angeht, so beugen sie den Rumpf seitwärts (oder beugen das Becken seitwärts zum Rumpf hin, wenn dieser fest bleibt), drehen ihn und senken die Rippen seitlich. Ihr könnt feststellen, dass die großen und kleinen geraden Bauchmuskeln übereinander liegen und dass die Richtungen der jeweiligen Fasern sich überkreuzen. Das verursacht ein interessantes Zusammenspiel: Bei einer Rechtsdrehung des Oberkörpers kontrahieren der kleine rechte und der große linke Bauchmuskel (während die anderen beiden sich verlängern), doch bei einer Beugung des Rumpfes zum Becken hin, kontrahieren alle vier Bauchmuskel in Synergie! Insgesamt wird die Aktion der Bauchmuskeln in dem Bild hier seitlich zusammengefasst, das wie schon das vorhergehende auf Roberto Eusebios Blog zu finden ist. Der querverlaufende Bauchmuskel, dessen Fasern – wie sein Name schon vermuten lässt – sich nicht vertikal, sondern horizontal ausbilden, trägt zum abdominalen Tonus und zur Stabilität des Rumpfes bei und zieht darüber hinaus den Bauch nach innen und trägt zur forcierten Ausatmung bei. Wovon ich mir wünsche, dass es nach der Lektüre dieses Artikels im Gedächtnis bliebe, ist, dass keiner der Bauchmuskeln im weiteren Sinne an den Beinen ansetzt. In den nächsten Artikeln werden wir sehen, wie wir diese Information nutzen können, um das Bauchmuskeltraining zu optimieren und dabei keine Rückenprobleme zu bekommen. Bleibt warm.

ins Deutsche übersetzt von Elisabeth Becker
erstes Bild mit freundlicher Genehmigung von hotornot.com
zweites und drittes Bild mit freundlicher Genehmigung von robertoeusebio.over-blog.it
Share
This entry was posted in Bauchmuskeln, Anatomie, Fitness, Wissenschaft and tagged , , , , , , , , , , , , , , , , , , , . Bookmark the permalink.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>