Im vorhergehenden Artikel haben wir gesehen, wo die Muskeln des Bauchbereichs liegen und was ihre Funktionen sind. Nun ist es an der Zeit, Schlussfolgerungen aus dem Wissen zu ziehen, das wir uns angeeignet haben, und zur Bestimmung der wirksamsten und körpergerechtesten Bewegungen für das Training dieser Muskelgruppe zu kommen. Da die geraden Bauchmuskeln die Rippen (also den Oberkörper) mit dem Becken verbinden, und da die einzigen Gelenke, die sie überspannen, die Rücken- und Lendenwirbel sind, legt die Logik es nahe, dass die perfekte Übung aus einer Flexion des Oberkörpers zum Becken hin besteht, begleitet von einer Retroversion des Beckens. Trotzdem gibt es Dutzende von unterschiedlichen Übungen, die allgemein auf der ganzen Welt ausgeführt werden, um die Bauchmuskeln zu trainieren. Man muss sich also fragen, in welchem Sinne wir hierin eine Perfektion definieren können, und auf der Grundlage welcher Parameter wir die Übungen unterscheiden können.
In dieser Sitzung würde ich gerne hauptsächlich auf den didaktischen und physiologischen Gesichtspunkt eingehen. In anderen Worten, die Bewegung, die ich eben beschrieben habe, isoliert die Aktion der geraden und der schrägen Bauchmuskeln nahezu vollständig und reduziert – wenn sie sauber ausgeführt wird – das Zutun anderer Muskeln auf ein Minimum; darüber hinaus erlaubt sie dem Neuling, mit einer gewissen Präzision den Betrieb der arbeitenden Muskeln zu spüren, und lehrt ihn dadurch indirekt auch, die Beteiligung von verschiedenen Muskeln auseinanderzuhalten, wenn er zu anderen Übungen übergeht. Ich halte diese Bewegung daher für die bestmögliche, weil die Bauchmuskeln durch eine minimale Bewegung dazu gebracht werden, auf Volldampf zu arbeiten, ohne den Rücken dabei anzustrengen. Vielmehr löst es sogar oft Rückenprobleme, die mit einer Hohlkreuzhaltung zusammenhängen (typisch, zum Beispiel, für jemanden, der stundenlang stehen muss und nicht über die entsprechende Muskulatur verfügt oder ein minimales Ungleichgewicht in der Körperhaltung hat). Unter den zahlreichen im Netz verfügbaren Ressourcen schlage ich euch eine schmackhafte Animation vor (Bauchmuskeln), die den Vorzug hat, schematisch, einfach und klärend zu sein, und die ich auf der Website von Tutto Osteopatia gefunden habe. Stellt euren Videoplayer so ein, dass er das Video ständig wiederholt: So bekommt ihr eine recht realistische Darstellung der echten Bewegung. Die Tatsache, dass diese Übung die beste Bewegung ist, um die Bauchmuskeln zu trainieren und zu isolieren, bedeutet nicht, dass es in einem anderen Zusammenhang nicht angebracht sei, andere Übungen zu verwenden. Denn nicht immer besteht die Notwendigkeit, die Arbeit eines Muskels zu isolieren – im Gegenteil: Angesichts der Tatsache, dass praktisch keine zweckmäßige natürliche Bewegung auf der Isoliation eines einzelnenMuskels basiert, ist es es unnütz, dass ein Athlet sich mit hyperselektiven Bewegungen vorbereitet, wenn sein technischer Gestus hingegen aus dem optimalen Zusammenwirken mehrerer Muskelgruppen besteht. Unnütz außer in bestimmten, spezifischen Fällen:
- wenn es nötig ist, einem einzelnen Muskel eine Extraportion Aufmerksamkeit zu widmen, der sich als schwächer als angebracht erweist;
- in der posttraumatischen Wiederherstellungsphase;
- wenn man die Wahrnehmensfähigkeit des Athleten sensibilisieren will;
- im Bodybuilding.
Eine Übung, die mehrere Muskelgruppen miteinbezieht, indem sie komplexe Bewegungen koordiniert, ist vom motorischen Gesichtspunkt her komplexer und vollständiger und zeigt, vor allem, wenn es dem technischen Gestus ähnelt, im Großen und Ganzen einen besseren Trainingseffekt, verglichen mit anderen Übungen. Schaut euch zum Beispiel die Animation hier an der Seite an, die ich von der Website Exercise Prescription On The Net genommen habe, einer überaus reichen Informationsquelle für die verschiedensten Übungen, die ihr auch auf der Linkseite findet. Es ist offensichtlich, dass die Zahl der Muskeln, die benötigt werden, um diese Bewegung auszuführen, weit größer ist als für die Grundübung, die ich euch vorgestellt habe. Es gibt also Fälle, in denen eine analytische Herangehensweise an die Muskelkontraktion empfehlenswert ist, und Fälle, in denen man eine generellere Muskelarbeit bevorzugen sollte: Es liegt bei eurem Coach oder eurem Personal Trainer zwischen ihnen zu unterscheiden. Im Fall der Bauchmuskeln ist eines der Motive, die dazu führen, dass man nach einfachen Bewegungen sucht – besonders für jemanden, der seine Muskeln formen möchte oder in der Anfangsphase der Vorbereitung ist – dass die Einbeziehung der Beine beim Training der geraden Bauchmuskeln unweigerlich die Kontraktion der Muskeln hervorruft, die für die Flektion der Oberschenkel zuständig sind (oder, in anderen Worten: dafür, die Knie zur Brust anzuziehen). Ich möchte eure Aufmerksamkeit auf eine Muskelgruppe lenken, die komplex und faszinierend ist, der Lenden-Darmbeinmuskel oder Musculus iliopsoas. Im nebenstehenden Bild, das ich von der Website von Tutto Osteopatia genommen habe, könnt ihr ihn gut erkennen. Im Einzelnen: Der Muskelstrang, der den Oberschenkelknochen (Os femoris oder kurz das Femur) mit der Wirbelsäule verbindet, ist der Große Lendenmuskel (Musculus psoas major), während der Strang des Darmbeinmuskels (Musculus iliacus) den Oberschenkelknochen mit dem Becken verbindet (und, spezifischer, mit dem Darmbein- oder Beckenkamm (Crista iliaca), daher sein Name). Warum haben die Bauchmuskeln so viel Mühe, wenn wir, zum Beispiel auf dem Rücken liegend, versuchen, die Beine angespannt und geschlossen anzuheben? Weil die Beine, die sehr schwer sind, die Hüfte nach vorne kippen lassen und die Bauchmuskeln strecken. Ich lade euch dazu ein, das Bild hier an der Seite zu betrachten, das ich auf TuttoWebItalia gefunden habe. Es ist sehr wichtig, dass euch klar ist, dass die Bauchmuskeln bei dieser Bewegung nicht die Beine anheben (sie könnten gar nicht, da sie ja nicht an den Oberschenkelknochen ansetzen), sondern kontrahieren, um das Becken zu blockieren und es daran zu hindern, dem Druck, ganz in Anteversion zu gehen, nachzugeben. Die Bauchmuskeln strengen sich also sehr an, doch sie vollziehen eine Art Kontraktion, die wir als beinahe isometrisch bezeichnen können – in der also die Muskelanspannung hoch, die Verkürzung des Muskels aber sehr gering oder fast Null ist. Wie die verschiedenen Arten von Muskelkontraktionen (zum Beispiel isometrisch oder nicht) die Qualität des Muskels beeinflussen, ist ein weiteres jener komplexen Kapitel, die es erfordern, an anderer Stelle für sich behandelt zu werden. Indem wir für den Augenblick darüber hinweg gehen, hätte ich gerne, dass ihr wahrnehmt, wie die Kontraktion des Lenden-Darmbeinmuskels – aufgrund seiner Lage und seiner Aktion – dazu neigt, die Anteversion des Beckens zu begünstigen, weil der Muskelstrang des Großen Lendenmuskels durch seine Kontraktion dazu beiträgt, die Lendenwirbel nach vorn zu ziehen. Die geraden Bauchmuskel widersetzen sich diesem aus Gründen reiner mechanischer Physik, womit wir den Grund ihrer Kontraktion erklärt hätten. Für viele Personen ist die Anteversion des Beckens unter Belastung nicht ratsam: Ist der Muskelkomplex nicht in Form und gut ausbalanciert, kann die Zugbelastung auf die Wirbel zu Schmerzen im unteren Rücken führen und auch, auf Dauer, zu Problemen mit den Gelenkfortsätzen der Wirbel. In diesem Sinne ist die Animation, die ich euch oben abgebildet habe – unter der Bedingung, dass der Sportler die Bahn in der Luft kontrollieren kann, wenn er die Beine komplett nach unten ausgestreckt hat (die Position, die der maximalen Anteversion dieser Bewegung entspricht) – sehr viel physiologischerals die Übung im Bild über diesem Abschnitt: In beiden Übungen kommt es genau dann zur maximalen Aktion des Lenden-Darmbeinmuskels, wenn die Oberschenkel parallel zum Boden sind; doch in dem Moment ergeben sich, unmittelbar danach, in der Animation zwei sehr günstige Situationen:
- die Beine sind gebeugt, was die Kraft reduziert, mit der der Lenden-Darmbeinmuskel Zug auf die Wirbel ausübt;
- das Becken ist schon teilweise zum Oberkörper hin gebeugt, und die Bauchmuskeln können besser dazu beitragen, die physiologische Position der Wirbel zu halten.
Generell können wir sagen, dass die Art und Weise, wie der Sportler die Bewegung und die Bahnen einer Übung führt, einen großen Unterschied machen kann, sowohl hinsichtlich der Trainingsqualität als auch hinsichtlich der Effizienz sowie hinsichtlich der Vorbeugung von Problemen: Oft sind Schmerzen im unteren Rücken bei jemandem, der ins Fitnessstudio geht, auf eine übermäßige Belastung des Lenden-Darmbeinmuskels zurückzuführen. Am Rande all des Gesagten möchte ich auch unterstreichen, dass die muskuläre Vorbereitung eines Sporttreibenden reich, vollständig und vielseitig sein muss; in diesem Sinne ist es undenkbar, monate- oder gar jahrelang in Folge dieselben Übungen zu verwenden. Das Thema ist ziemlich komplex, für heute reicht es, zu sagen, dass auch ein und derselbe Muskel bei unterschiedlichen Bewegungen auf eine andere Art arbeitet, und dass Abwechslung ihn bereichert, und auch unsere motorischen Fähigkeiten bereichert. Es seien also viele unterschiedliche Übungen für die verschiedenen Muskelgruppen willkommen, unter der Bedingung, dass
- ihr die auswählt, die für eure Bedürfnisse am besten geeignet sind;
- ihr den Steigerungen der verschiedenen Übungen mit physiologischem Fortschreiten entgegentretet, indem ihr zuerst die grundlegenden Fähigkeiten vorbereitet und dann zu komplexeren Übungen übergeht, die eine besondere Kontrolle über die Bewegung oder ein leistungsstarkes System von stabilisierenden Muskeln erfordern können;
- ihr genau wisst, was ihr macht und warum ihr es macht.
ins Deutsche übersetzt von Elisabeth Becker Bilder und Animationen in diesem Post mit freundlicher Genehmigung von weightwatchers.com.my exrx.net tuttosteopatia.it tuttowebitalia.com/
zweites Bild mit freundlicher Genehmigung